Am 18. November 2025 wurde das Literatur-Café der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zum Treffpunkt für alle, die MINT-Bildung, Künstliche Intelligenz und Schulpraxis nicht getrennt denken wollen. Die PSE-Jahreskonferenz setzte genau hier an: Wie verändern datengetriebene Technologien Unterricht, Lehrkräftebildung und Schulentwicklung – und was braucht es, damit daraus echte Bildungsgewinne entstehen?

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Jörg-U. Keßler, Rektor der PH Ludwigsburg, startete das Programm mit fünf Impulsvorträgen, die ein breites Spektrum aktueller PSE-Initiativen bündelten – von KI-gestütztem Lernen bis zu Nachwuchsförderung und Schulnetzwerkarbeit. Damit war früh klar: Die Konferenz verstand KI nicht als einzelnes „Tool-Thema“, sondern als Querschnitt, der didaktische Qualität, Teilhabe und Schulrealität zusammenbringt. Die Teilnehmenden, darunter Forschende, Lehrende und Studierende der PSE-Partnerhochschulen, Vertreter:innen der Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte sowie von Schulen und Stiftungen, erwartete ein abwechslungsreiches Programm.

Impulsvorträge: Projekte, die Schule konkret verändern

1) Bildung und KI im Postdoc-Kolleg TEIFUN

Dr. Tilmann Steinmetz (Universität Tübingen) zeigte anhand mehrerer Beispiele, wie KI im Unterricht wirksam werden kann – wenn sie konsequent didaktisch eingebettet ist. Vorgestellt wurden u. a. KI-gestützte Aufgabenformate, dialogische Tutor-Settings oder Assistenzsysteme für die Praktikumsvorbereitung. Besonders eindrücklich: In einer Studie mit Prä-Post-Kontrollgruppendesign (N=230) erzielte die KI-gestützte Vorbereitung signifikant bessere Lernergebnisse als klassische Formate – allerdings nur dort, wo die KI gezielt Lernprozesse strukturierte statt nur „Antworten zu liefern“. Das Fazit war entsprechend differenziert: KI ist keine generische Lösung und keine automatische Arbeitserleichterung, kann aber – richtig designt – neue Lernformen und bessere Unterrichtsqualität ermöglichen.

2) „Fake Your Own News“ – Urteilsfähigkeit in digitalen Öffentlichkeiten

Dr. Andreas Just (Universität Stuttgart) und Dr. Danijel Paric (PH Ludwigsburg) stellten die Innovationsinitiative vor, die im Sommer 2025 anlief und im Wintersemester 2025/26 in ein Seminar mündete. Ziel war, Studierende zu befähigen, Fake News und Verschwörungserzählungen analytisch zu erkennen und medienpraktisch zu bearbeiten. Der project-based Ansatz – die Entwicklung eigener Videos in Kooperation mit Medienstudios und dem SWR – verband Reflexion, Produktion und Transfer. Die Begleitforschung lieferte erste Einblicke in Medienbiografien und Fake-News-Erfahrungen der Studierenden; auffällig war dabei unter anderem, wie früh digitale Prägungen einsetzen und wie verbreitet KI-basierte Desinformation bereits im Alltag wahrgenommen wird. 

3) Data Literacy in NwT: Lernschwierigkeiten sichtbar machen

Dr. Marcus Brändle (Universität Stuttgart) präsentierte Ergebnisse einer Think-Aloud-Studie zu Data-Literacy-Kompetenzen von Zehntklässler:innen. Die Analyse zeigte ein spannendes Doppelbild: Stärken fanden sich bei der Interpretation von Diagrammen und der Reflexion ethischer Fragen, Schwierigkeiten vor allem beim Identifizieren relevanter Variablen sowie beim Bereinigen fehlerhafter Datensätze. Daraus leiteten die Forschenden konkrete didaktische Konsequenzen ab: Arbeiten mit bewusst „fehlerhaften“ Beispieldaten, systematische Fehlererkennung und eine stärkere Verzahnung von Data Literacy mit MINT-Fächern – flankiert durch Fortbildungen für Lehrkräfte. 

4) SchulnetzWerkstatt – „da wird gschaftt!“

Illie Isso (PSE) gab Einblicke in die SchulnetzWerkstatt als praktische Brücke zwischen Hochschule, Studierenden und Partnerschulen. Das Projektseminar „Praxis im Fokus“ bzw. „Die Kunst des Unterrichtens“ schafft Räume, in denen gemeinsam an Unterricht, Schulentwicklung und passgenauen Kooperationsformen gearbeitet wird. Zudem sprach er von der Möglichkeit, neue Partnerschulen in das Netzwerk aufzunehmen. Der Impuls machte deutlich, wie wichtig stabile, praxisnahe Strukturen sind, um Innovation nicht nur zu diskutieren, sondern im Schulalltag zu verankern. 

5) MILeNa – MINT-Lehrkräfte-Nachwuchsförderung

Prof. Dr. Ronny Nawrodt (geschäftsführender Direktor der PSE von der Universität Stuttgart) stellte MILeNa als Antwort auf den MINT-Lehrkräftemangel vor. Das Programm ermöglicht Schüler:innen über Seminarkurse einen realistischen Einblick in den Lehrkräfteberuf und führt sie schrittweise an Didaktik, Unterrichtsplanung und eine „Probestunde“ heran. Beeindruckend war die Dynamik der Pilotierung 2024/25: Aus einer Erwartung von ca. zehn Teilnehmenden wurden rund vierzig, und mehrere Schulen etablierten bereits eigene Kurse. MILeNa zeigt damit, dass Nachwuchsgewinnung dann gelingt, wenn Schulen entlastet werden (Material, Moodle-Struktur) und Jugendliche einen echten Gestaltungsraum erleben. 

Keynote: KI und Deep(er) Learning in der Schule

Den inhaltlichen Schwerpunkt des Tages setzte Benjamin Köhler, Schulleiter des Königin-Charlotte-Gymnasiums, mit seiner Keynote „KI und Deep(er) Learning in der Schule“. Im Zentrum stand die Frage, wie KI Lernprozesse gerechter und nachhaltiger machen kann – nicht durch reine Tool-Nutzung, sondern durch den Aufbau von KI-Kompetenz als Teil schulischer Entwicklung.

Köhler spannte den Bogen von Grundlagen (schwache vs. starke KI, neuronale Netze, Deep Learning) zu sehr praktischen Leitideen:

 

      • KI-Kompetenz heißt, Lernprozesse selbstbestimmt, reflektiert und werteorientiert mit KI zu gestalten – nicht nur das „Bedienen“ eines Systems.
      • Prävention ist zentral: gegen Lernschäden durch bloßen Ersatz von Anstrengung, aber auch gegen Datenrisiken und Profilbildung.
      • KI-Einsatz braucht klare Regeln zu Datenschutz, Urheberrecht, Ethik und Nachhaltigkeit – inklusive Blick auf AI-Act-Rahmungen und Hochrisiko-Anwendungen.
      • Prüfungsformate müssen weiterentwickelt werden, damit Lernen prozessorientiert bewertet wird und KI nicht neue Ungleichheit erzeugt.

Am Beispiel des Pilotprojekts KI@KCG zeigte Köhler, wie Schulentwicklung konkret aussehen kann: Fortbildungen für Lehrkräfte, gestufte Einführungen für Schüler:innen, Elternarbeit, Curricula sowie verlässliche Infrastruktur. Vernetzung über „Family of Schools“ und Plattformen wie tieferlernen.de verdeutlichte, dass nachhaltige KI-Integration nur als Gemeinschaftsaufgabe gelingt. 

Die Konferenz endete mit einem Get-together, das den offenen Austausch in den Mittelpunkt stellte – passend zu einer Veranstaltung, die weniger auf fertige Antworten setzte als auf ein gemeinsames Weiterdenken.